ÄCHZessibility Award: Games, Games, Games

Auf der Website der Swiss App Awards werden sie extra-prominent (nämlich an erster Stelle) aufgeführt, für unsere Testperson sind alle nominierte Kandidaten eine extra-grosse Enttäuschung.
Siegespokal mit Schriftzug "Teil 4"

Service: Hier gibt’s Teile des Interviews und den Ausschnitt eines Game-Tests zum Anhören. 04 – Games, Games, Games – MP3 (FM-Qualität)

Daniele Corciulo: Beim Gamen schaut er sehr genau hin

Wenn man gewisse Zeitungsartikel liest – etwa Diesen hier aus ’20 Minuten›, könnte man meinen, bei den Swiss App Awards gehe es einzig und alleine um Games für SmartPhones. Auf der Website der Awards stehen ebenfalls die Nominierungen «Best Games» an oberster Stelle. Es ist klar: Bei so viel Wichtigkeit wollen wir uns auch im Rahmen der ÄCHZessibility Awards damit befassen.

Einer, der sich in Sachen Games ganz gut auskennt, ist mein Teamkollege Daniele Corciulo. Sie haben ihn vielleicht schon gesehen: Er ist Protagonist in unserer Video-Serie «Test der Woche», die Sie jeweils Montags in unserem Youtube Kanal anschauen können. Er war schon immer fasziniert von Technik, insbesondere von Robotern, die einem Menschen Arbeiten abnehmen können. Auch Games gehörten schon immer zu seinen Leidenschaften. Klar, dass man in seiner Wohnung auf eine Nintendo Wii Spielekonsole stösst. «Im Moment bin ich grade daran, ‹New Super Mario Brothers› zu spielen».
Wie das gehen soll? Hierzu muss man wissen, dass Daniele corciulo nicht vollständig blind ist (auch wenn ihn die WHO Definitionen wohl als ‹blind› definieren. Er hat noch einen Sehrest von etwa 1.5 Prozent. In der Praxis heisst das, dass er zwar viele Bildschirmtexte nicht lesen kann und deshalb auf Screen-Reader angewiesen ist. Bei Super Mario Brothers hingegen kann er, dank seinem Sehrest und der unterschiedlichen Farben auf dem Bildschirm, seine Erfolge erspielen, auch wenn das Game einen Accessibility Test nicht bestehen würde.

Ja, auch auf dem SmartPhone spielt Daniele Corciulo gerne mal ein Game. Auf Anhieb erzählt er mir etwa vom ‹Mobile Aquarium› – einer Simulation, in der man seine eigenen Fische aufziehen und pflegen muss; oder er erwähnt ‹King’s Corner› von SpringBook, einem Kartenspiel, welches entfernt an Solitaire erinnert. Beide Apps sind sowohl von Sehenden als auch von Blinden spielbar (auch denjenigen Blinden, die wirklich nichts mehr sehen).
Aber natürlich laufen auch auf dem Iphone nicht alle Games mit dem eingebauten VoiceOver Screen-Reader. Spielt er etwa ‹Milk The Cow› (offensichtlich eine eher landwirtschaftliche Game-Herausforderung), schaltet er VoiceOver ab, schaut extra-genau hin und vertraut dem, was seine Augen noch sehen.

Die Swiss Apps: Nüüt 🙁

Im Interview bitte ich Daniele, sich einmal die Pilotifant App anzusehen und mit dem Elefanten eine Runde durch den Porzelanladen zu drehen. Es ist eine beeindruckende, aber leider auch eine beeindruckend langweilige, Demo, die er mir liefert. Kaum hat er die App gestartet, ist das Bildschirm-Lesegerät auf dem Iphone nicht mehr in der Lage, ihn zu assistieren. Da, wo sehende User den Einführungstext wahrnehmen, werden blinde Anwender quasi mit einem leeren Bildschirm konfrontiert.
Daniele, der den Text zwar visuell wahr nimmt, aber nicht lesen kann, schaltet VoiceOver aus und tipps das Objekt an, welches seiner Meinung nach einem «Weiter» Button ähnelt….
Na ja, um es kurz zu fassen: Irgendeinmal hören wir lediglich noch die Meldung «We Couldn’t Find An Account With The Provided Email Address» (und nein, wir wussten nicht, dass wir zuvor eine E-Mail Adresse eingegeben hatten). Dann geben wir den Versuch auf.
«Die müssen die Elemente korrekt beschriften», sagt Daniele kurz und knapp, als ich ihn frage, was die Entwickler besser machen sollen.
Tatsächlich wird in der Entwickler-Referenz für IOS darauf eingegangen, wie das geht: Grundsätzlich kann jedem Element, welches in einer App verwendet wird, eine ‹Beschreibung› beigefügt werden, die einzig vom VoiceOver Screen-Reader gelesen wird. In dieser Beschreibung wird festgelegt, wie das Element heisst und was der Iphone-Anwender damit machen kann. Ist die Beschreibung korrekt hinterlegt, ist voiceOver in der Lage, dem blinden User den Bildschirm in brauchbarer Weise zugänglich zu machen.

Natürlich ist es nicht die einfachste Sache, ein Game für den VoiceOver Screen-Reader tauglich zu machen. Daniele Corciulo glaubt aber, dass dies möglich sein sollte. Als mögliches Beispiel verweist er auf Stem Stumper von Ananse Productions, bei welchem es immerhin darum geht, sich einen Weg durch einen mit Unkraut, Hecken und Mauern angereicherten Garten zu bahnen. «Vielleicht mit einigen ergänzenden, guten Tonaufnahmen, sollte doch auch diese App barrierefrei umsetzbar sein», meint er wieder im Hinblick auf Pilotifant.

Auch die anderen Apps, die als «Best Game App» für den Swiss App Award nominiert sind, lassen VoiceOver User im Stich. Zwar kommt man beim Memory zum Bimbadaboum Festival noch durch ein halbwegs navigierbares Menü in ein unzugängliches Spiel; wirklich gamen können blinde Iphone Anwender keines der Spiele. Ihnen bleibt jeweils nur ein akustischer Genuss: Derjenige der verschiedenen Titel-Melodien.

Schwarzer Screen
Die meisten nominierten Games zeigen blinden Anwendern schlicht einen leeren Bildschirm.

Swisscom Fan-Glocke: Immerhin, Si Macht Lärm

Es gibt genau eine App, die man mit sehr viel Gutdünken als Game bezeichnen könnte, auch wenn sie nicht als «Game App» sondern in der Kategorie «Most Downloaded» für einen Award ansteht. Die «Swisscom Fan-Glocke», auch von Swiss Ski über alle Töne gepriesen, liefert etwas mehr als einen leeren VoiceOver-Bildschirm. Und – noch toller – sie lässt sich spielen!
Daniele hat dafür aber nicht sehr lange Begeisterung übrig. «Das Spiel ist an sich sehr langweilig; man weiss nicht, was passiert und was nicht.» Und ausserdem stellen wir fest, dass selbst die wenigen Elemente dieser App nicht alle mit VoiceOver funktionieren.

Screenshot Fanglocke
Immerhin: Lärm machen kann man damit. Dass die Schläge der Glocke gezählt werden, sieht ein VoiceOver-Anwender aber nicht.

So geht’s weiter

Falls Sie übrigens in der App-Entwicklung tätig sind und dies hier lesen, hat Daniele noch einen Wunsch: «Ich suche schon lange eine barrierefrei zugängliche Poker-App. Bislang habe ich nur eine gefunden, die ich nur dank meines Sehrests halbwegs bedienen kann. Aber wenn Solitaire geht, sollte es doch auch möglich sein, ein VoiceOver-kompatibles Poker zu programmieren, oder?»

In der nächsten Testrunde werden wir uns übrigens mit der SBB und der Quentiq runde befassen.

Downloads

Die ÄCHZessibility Awards stehen in keinem offiziellen Zusammenhang mit den Swiss App Awards. Sie wurden jedoch offensichtlich durch diese inspiriert.

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